Hallo Leute,
falls Ihr das Buch schon in Euren Händen haltet, ist Euch eines sicherlich aufgefallen: Ich verwende geschlechtersensible Sprache in meinem Buch. Hier erkläre ich, warum ich mich dazu entschieden habe.
Bei den meisten (High-Fantasy) Schlachtszenen haben wir diese typischen maskulinen Hollywood-Bilder im Kopf: Muskelbepackte Männer, die mit Schwertern aufeinander losgehen. Wir haben das alle schon so oft gesehen, dass es kaum möglich ist, sich eine andere Szenerie für eine Schlacht vorzustellen.
Da aber in meinen Schlachten hauptsächlich mit Magie gekämpft wird, und Körperkraft keine große Rolle spielt, gibt es keinerlei Grund, warum Frauen dort nicht ebenso präsent sein sollten, wie Männer. Im Gegenteil: da die meisten Zauberfamilien matriarchal organisiert sind, sind es sogar eher die Frauen, die in meiner Welt verantwortungsvolle Posten innehaben.

Bild von: Mike Gardner Art
Deshalb habe ich mich gefragt: “Wie mache ich es in meinem Buch sichtbar, dass ein “Krieger” auch eine “Kriegerin” (oder gar ein non-binary) sein kann?
(By the way: ich bin kein sooo großer Fan von epischen Kriegen. Es gibt im Buch de facto nur eine richtige Schlachtenszene, ganz am Anfang — aber was sprachlich für Schlachten gilt, gilt natürlich auch für andere Situationen ^^)
Mit anderen Sprachmustern können wir geschlechterstereotypen Vorstellungen und Diskriminierungen entgegenwirken und dabei helfen, Geschlechternormen und Rollendenken zu reduzieren:
Denn […] wenn nicht mehr von “Chefs” und von “Putzfrauen” die Rede ist, sondern von “Führungs- und Putzkräften”, verändert sich auch unser Bild davon, wer in unserer Gesellschaft welche Rolle übernehmen kann […] (aus: Sprachleitfaden der TU-Berlin)
Deshalb habe ich mich mit dem Thema “geschlechtersensible Sprache” auseinandergesetzt.

Welche Optionen gibt es, um Gender in Romanen auszudrücken?
1) Generisches Maskulinum
Der Standard in Romanen. Das so genannte »Generische Maskulinum« soll auch Frauen und Personen anderen Geschlechts »mitmeinen«. Die Frage ist nur: tut es das auch?
Dazu ein Gedankenexperiment. Was stellt Ihr Euch vor, wenn Ihr so etwas lest wie: “Die Fortbildung richtet sich an alle Lateinlehrer”?
Der Vorteil: Entspricht unseren Lesegewohnheiten und wird deshalb oft als “angenehm” bzw “unauffälig” empfunden.
Nachteil: erzeugt oft einseitige Bilder im Kopf, meint nicht alle Geschlechter mit.
2) Generisches Femininum
Vorteil: Passt hervorragend zu meiner Fantasy Welt, in der die Familien matriarchal strukturiert sind und die wichtigsten Positionen in Frauenhand sind.
Nachteil: Entspricht nicht unseren Lesegewohnheiten und bildet nur zwei Geschlechter und keine Geschlechtervielfalt ab.
3) Gendersterne oder sonstige Gendersymbole
Vorteil: Repräsentiert alle Personen unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität gleichermaßen.
Nachteil: Entspricht nicht den allgemeinen Lesegewohnheiten, liest sich etwas “sperrig” (obwohl einige gerade das auch als “Vorteil” auslegen würden).
4) Geschlechtsneutrale Formulierungen
Für viele (aber leider nicht alle!) Worte gibt es eine neutrale Form (z.B. “Lehrkräfte” statt Lehrer/Lehrerinnen), die an Stelle der maskulinen/femininen Form verwendet wird.
Vorteil: ist eine elegante Möglichkeit, Diskriminierungen zu vermeiden, da kein Geschlecht benannt wird, und damit alle Menschen angesprochen werden und dennoch der Lesefluss erhalten bleibt.
Nachteil: da bei vielen Worten die neutrale Form fehlt, ist es nicht überall anwendbar.
Meine Wahl
Ich habe als Wahl für geschlechtersensible Sprache in meinem Buch lange zwischen Option 2) und 3) geschwankt, mich dann aber für Option 3) (Gendersymbole) entschieden, da meine Satzsoftware SPBuchsatz mit einem Gendersymbol aufwartet, das angenehm dezent ist: ein Sternchen an Stelle des i-Tüpfelchens:

Der Vorteil hierbei ist, dass alle Gender mit eingeschlossen sind und zusätzlich ein femininer Gesamteindruck der Sprache bleibt (siehe hierüber einen interessanten Artikel über die Möglichkeiten des Genderns in der deutschen Sprache: Gendern — gerne, aber wie?). Aus letzterem Grund habe ich mich auch dazu entschieden, die Satzstruktur wie im generischem Femininum zu belassen und nur die Substantive zu gendern.
Optisch wird das Wort nicht, wie bei klassischen Gendersternen auseinandergerissen, was oft darin resultiert, dass die weibliche Form “wie angehängt” wirkt.
Ich verstehe, wenn einige genau dieses “auseinandergerissene” als passend empfinden, da so die Betonung auf die Zwischenräume zwischen den Geschlechtern deutlicher wird, aber für mein Buch, das nicht in der Jetzt-Zeit sondern einer der Industrialisierung ähnlichen Epoche spielt, wirkt das zu modern. Ich stelle mir vor, dass die Leute dort eher im generischen Femininum sprechen, da sie matriarchale Strukturen gewohnt sind. Dennoch wollte ich mit dem Gendersymbol ausdrücken, dass ich eben auch die anderen Geschlechter mit meine.
In der Ebookversion ist diese schöne Option mit dem i-Sternchen leider nicht möglich. Daher habe ich mich dort für diese Schreibweise entschieden: “Magier:innen”, da dies auch von Screenreadern so vorgelesen wird, wie es wirklich klingen soll.
Generell habe ich versucht, der besseren Lesbarkeit halber den Anteil der Gendersymbole gering zu halten, indem ich häufig eine neutrale Formulierung gewählt habe. Ich persönlich finde diese Lösung am elegantesten, denn ich befürchte, dass die Gendersymbole diejenigen unter meinen Lesenden abschrecken könnten , die nicht mit der Thematik vertraut sind. Es ist ein Spagat zwischen: “ich wünsche ich mir eine machtsensiblere Sprache” und “mein Buch soll auch von Leuten gelesen werden, die keine hardcore-Feminist_innen sind” (denn ich denke, dass nicht nur letztere daran Freude haben werden!)
Anmerkung (Herbst 2020)
- In meinem neuen Buch verwende ich weitaus mehr geschlechtsneutrale Worte (und weniger Gendersternchen). Das ist möglich, wenn man sich erst mal ein wenig damit beschäftigt. Hier gibt es Tipps zum genderneutralen Schreiben.
2) Für meine weiteren ebooks werde ich den Unterstrich (“gender gap”) benutzen, da dies wohl noch Screenreader-freundlicher ist. Auch die Homepage hier habe ich darauf umgestellt.
Mein Fazit
Ich habe die Hoffnung, dass die direkte Auseinandersetzung mit den Gendersymbolen zu einer höheren Akzeptanz derselben führt. Dabei denke ich, dass die ungewohnte Sprache vielleicht zunächst irritiert, nach ein paar Seiten aber kaum mehr auffällt. Aus den Grund ist der Klappentext im generischen Maskulinum verfasst (denn bei einem so kurzen Text gewöhnt sich eins noch nicht an das Sprachmuster), der Rest des Buches ist aber gegendert.
Vielleicht leistet so auch mein Buch einen kleinen Beitrag, um diese hypermaskulinen Schlachtenbilder aus unseren Köpfen zu verdrängen und neue Möglichkeiten zuzulassen. Einen Versuch ist es jedenfalls wert!
Tipps für den Alltag:
- Hier werden ein paar Möglichkeiten des geschickten Genderns aufgezeigt: geschickt_gendern
- Interessanter Flyer der TU Berlin über gendergerechte Sprache: Flyer
- Hier gibt es Tipps zum genderneutralen Schreiben von Prosatexten.
Eure Meinung interessiert mich!
- Hat Euch die gegenderte Sprache in meinem Buch erfreut oder gestört?
- Habt Ihr Euch schnell daran gewöhnt?
- Und: hat es Eure Vorstellung von bestimmten beschriebenen Szenen beeinflusst?
Schreibt mir dazu gern einen Kommentar!